Dynamik fließender granularer Materie

Mit Stéphane Douady und Bruno Andreotti (→ Veröffentlichungen über das Fließen granularer Materie)

triangular avalanche
    in the snow
Dreieckige Lawinenspur im Schnee.

Thema meiner Docktorarbeit war die Dynamik granularer Lawinen, eine experimentelle Untersuchung der Auslösung und der folgenden Verstärkung oberflächlicher Ströme in Granulaten. Durchgeführt habe ich sie unter Anleitung von Stéphane Douady am Institut für Statistische Physik der École Normale Supérieure.

triangular avalanche in
    the lab
Momentaufnahmen einer "Dreiecks"-Lawine im Labor (ausgelöst durch die oben sichtbare Stange). Die Lawine (hell) breitet sich nach unten und seitwärts aus, und hinterlässt eine dreieckige Spur (dunkel).

Granulare Materie kann man neigen, ohne dass sie sofort zu fließen beginnt. Erst oberhalb eines kritischen Winkels setzen sich die Körner spontan in Bewegung. Die Dynamik der entstehenden Lawine hängt unter anderem davon ab, ob und wie Körner von der statischen Phase in die fließende übergehen und umgekehrt. Eine zentrale Frage dabei ist: welcher Anteil der in Bewegungsenergie umgewandelten potentiellen Energie dient dazu, die bewegte Masse zu erhöhen, und welcher Anteil dazu, die Lawine schneller fließen zu lassen (beides erhöht den Impuls der Lawine) ? Die Antwort ist nicht nur für das Verständnis der Dynamik von Lawinen von Bedeutung, sondern auch für Transport und Verarbeitung von Granulat in der Industrie, und natürlich auch für das grundlegende physikalische Verständnis von granularer Materie. In meiner Doktorarbeit habe ich den Fest-Flüssig-Übergang in zwei Experimenten untersucht.

Im ersten Experiment wird eine Lage Granulat auf einer geneigten Ebene erzeugt und in einen metastabilen Zustand gekippt: eine Störung in der ansonsten statisch bleibenden Schicht erzeugt eine Lawine, die weiter anwächst. Ich habe die kleinste zur Erzeugung einer Lawine notwendige Störung gemessen und gezeigt, das es sich um einen unterkritischen Übergang handelt.

Stéphane Douady und ich haben zwei Typen von Lawinen identifiziert. Der erste breitet sich hangabwärts und seitwärts aus und hinterlässt eine dreieckige Spur. Der zweite breitet sich durch eine Destabilisierungsfront auch hangaufwärts aus und setzt so die gesamte Schicht in Bewegung. Wir haben die Ausbreitungsmechanismen in beiden Fällen untersucht und zum Beispiel zeigen können, dass Amplitude und Geschwindigkeit eine obere Grenze haben, die mit der endlichen Dicke der Schicht zusammenhängt.

Im zweiten Experiment habe ich untersucht, wie ein Zylinder aus Sand zu einem Kegel zusammenbricht. Dabei habe ich beobachtet, dass die Dynamik empfindlich von der Vorbereitung des Experiments abhängt. Ein um 10% dichterer Anfangszustand braucht fast doppelt so lange, um einen Kegel zu formen. Ebenso ist eine Asymetrie bei der Vorbereitung in der Dynamik klar sichtbar.

Der letzte Teil diskutiert die Gültigkeit gängiger Lawinenmodelle in Anbetracht der Ergebnisse. Ausgehend von Erhaltungsgleichungen wird schließlich ein neues Modell entwickelt, in welchem die experimentellen Beobachtungen genutzt werden, um unbekannte Gleichungsterme zu eichen.


Last modified: 18 Jul 2020